• Bitkom zum Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität
  • Umfrage: Mehr Opfer von Hasskriminalität in der analogen als in der digitalen Welt

Berlin, 18. Juni 2020 - Der Bundestag soll heute das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität verabschieden. Laut dem Entwurf werden Online-Diensteanbieter unter anderem dazu verpflichtet, IP-Adressen und Portnummer von Nutzern proaktiv an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten, sobald sie konkrete Anhaltspunkte für ein Vergehen haben.

Laut einer Bitkom-Umfrage aus dem April 2020 sind 9 Prozent der Nutzer von sozialen Netzwerken in der Vergangenheit Opfer von Hasskommentaren wie Beleidigungen, Bedrohungen oder persönlichen Angriffen geworden. Außerhalb des Internets sind demgegenüber schon 15 Prozent der Social-Media-Nutzer Opfer solcher Äußerungen geworden.

Zu dem Gesetzesvorhaben erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder:

„Dieses Gesetz setzt die Praxis des NetzDG fort, private Unternehmen in die Rolle von Ermittlern und Richtern zu heben. Das widerspricht im Grundsatz dem Verständnis eines Rechtsstaats und verschiebt die Grenzen zwischen staatlichem und privatwirtschaftlichem Handeln in Richtung Wirtschaft. Die zu erwartenden Massen an Nutzerdaten, die an das BKA fließen werden, können von den Staatsanwaltschaften kaum verarbeitet werden. Es ist bedauerlich, dass im Gesetzgebungsprozess kein ernsthafter Dialog zwischen allen Beteiligten stattgefunden hat, um eine praktikablere Lösung zu erarbeiten.

Rechtsextremismus, Hass und Hetze müssen im Internet genauso entschieden bekämpft und strafrechtlich verfolgt werden wie in der analogen Welt. Das ist unstrittig. Aber mit dem jüngsten Gesetzesentwurf würden grundlegende Persönlichkeitsrechte von unschuldigen Nutzern verletzt. Eine Meldepflicht für Diensteanbieter führt unweigerlich dazu, dass massenhaft Bürgerdaten an das Bundeskriminalamt weitergeleitet werden. Dabei können die Unternehmen die Strafbarkeit der Nutzer aber nicht abschließend bewerten. Allein um Bußgelder zu vermeiden, müssten sie Nutzer in Zweifelsfällen melden. Die betroffenen Nutzer wiederum werden frühestens nach vier Wochen über die Ausleitung ihrer Daten informiert – wenn überhaupt. Das Gesetz sieht zudem keine spezifische Löschfrist für diese Daten vor. Systematisches Datensammeln auf Verdacht bricht mit jener gängigen Rechtspraxis, nach der Daten auf Anfrage herausgegeben werden.

Die Strafverfolgung im Internet muss dringend verbessert werden, aber mit anderen Mitteln. Strafverfolgungsbehörden und Online-Plattformen müssen einerseits besser zusammenarbeiten und anderseits muss der behördliche Prozess der Auskunftsersuchen schneller werden. Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass die Nutzerdaten vieler Dienste nicht in Deutschland gespeichert sind und nicht rechtssicher proaktiv an deutsche Behörden ausgeleitet werden können. Soziale Netzwerke stünden vor dem Dilemma, mit der Erfüllung der neuen deutschen Vorgaben Heimatrechte verletzen zu müssen. Deshalb braucht es eine europäische Lösung für eine rechtssichere Datenweitergabe, um Hasskriminalität effektiv zu bekämpfen und grenzüberschreitende Strafverfolgung zu erleichtern. Die EU-Kommission hat den Gesetzesentwurf bereits in mehrfacher Hinsicht kritisiert, insbesondere mit Blick auf den Datenschutz.“

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