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Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, meist als Brexit bezeichnet, ist ein umstrittenes politisches Projekt, dessen Umsetzung seit dem EU-Mitgliedschaftsreferendum im Vereinigten Königreich am 23. Juni 2016 vorbereitet wird. Beim Referendum hatten sich 51,89 Prozent der Teilnehmer für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ausgesprochen. Die Premierministerin Theresa May leitete in der Folge den Austrittsprozess aus der EU und aus EURATOM gemäß Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union am 29. März 2017 durch schriftliche Mitteilung an den Europäischen Rat rechtlich wirksam in die Wege. Da zugleich keine konkrete Vereinbarung zum Austrittstermin getroffen wurde, wäre dieser nach Ablauf der zwei Jahre währenden Verhandlungen auf den 29. März 2019 gefallen.[1] Der Austrittstermin wurde seither dreimal verschoben, zuletzt auf den 31. Januar 2020.

Die Austrittsverhandlungen wurden ab Juli 2016 auf britischer Seite zunächst von David Davis, dem Minister für den Austritt aus der Europäischen Union, ab Juli 2018 bis zu ihrem Rücktritt im Juli 2019 von May eigenverantwortlich geführt, auf Seiten der EU von Michel Barnier. May stellte im Januar 2017 in einer Grundsatzrede einen Zwölf-Punkte-Plan vor, der einen „harten Brexit“ ohne EU-Teilmitgliedschaft oder assoziierte Mitgliedschaft vorsieht. Das Vereinigte Königreich solle demnach aus dem europäischen Binnenmarkt, der Zollunion und aus der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofs ausscheiden.[2] Am 14. November 2018 einigten sich die EU und die Regierung des Vereinigten Königreichs auf ein entsprechendes Austrittsabkommen. In dem Abkommen ist eine Übergangsphase bis voraussichtlich 31. Dezember 2020 vorgesehen, in der das Vereinigte Königreich zunächst wie bisher alle EU-Regeln einhielte und weiterhin Beiträge zahlen würde, aber in EU-Gremien keine Mitsprache mehr hätte.[3] Die anschließenden, langfristigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bleiben jedoch noch Gegenstand von Verhandlungen. Sollte bis Ende 2020 kein entsprechendes Abkommen stehen und die Übergangsphase nicht einvernehmlich verlängert werden, stünde erneut ein ungeregelter Austritt ohne Abkommen bevor.

Über das Austrittsabkommen sollte ursprünglich am 11. Dezember 2018 im britischen Unterhaus abgestimmt werden.[4] Die Abstimmung wurde jedoch aufgrund von innenpolitischen Widerständen zunächst verschoben und weitere Nachverhandlungen wurden durchgeführt.[5] Besonders umstritten war dabei die sogenannte „Backstop“-Klausel, welche eine harte Grenze zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich in jedem Fall verhindern soll. Bei drei Abstimmungen am 15. Januar 2019 sowie am 12. und 29. März 2019 stimmte das Parlament jeweils mit großer Mehrheit gegen das Abkommen, so dass ein ungeregelter Austritt ohne Abkommen drohte. Am 21. März 2019 einigten sich deshalb der Europäische Rat und die britische Regierung auf eine Verschiebung des Austrittstermins auf frühestens den 12. April 2019.[6] Im Fall einer Ratifizierung des mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommens sollte das Vereinigte Königreich hingegen erst am 22. Mai 2019 austreten, um Zeit für die Implementierung zu haben. Da jedoch auch kurz vor Ablauf dieser Frist, trotz weiterer Zugeständnisse der EU, weiterhin der ungeregelte Austritt des Vereinigten Königreichs bevorstand, beantragte die britische Regierung (mit Unterstützung des Unterhauses) eine erneute Fristverlängerung. Bei einem EU-Sondergipfel am 10. April stimmte der Europäische Rat dem zu und vereinbarte als Austrittsdatum spätestens den 31. Oktober 2019.[7] Von May initiierte Gespräche zwischen der Regierung und der Labour-Opposition scheiterten. Aufgrund der erneuten Verschiebung des Austrittstermins musste Großbritannien am 23. Mai an der Europawahl teilnehmen. Dabei erhielt die erst 2019 gegründete Brexit-Partei auf Anhieb 30,5 Prozent der Stimmen und zog als Wahlsieger mit 29 Sitzen ins EU-Parlament ein.

Daraufhin trat im Juli 2019 Theresa May von ihrem Amt zurück und Boris Johnson wurde innerparteilich zu ihrem Nachfolger gewählt. Während seiner Kandidatur und auch nach seiner Wahl pochte er darauf, spätestens am 31. Oktober aus der EU ausscheiden zu wollen – ob mit Abkommen oder ohne. Das Parlament beschloss jedoch Anfang September ein Gesetz, das den Premierminister verpflichtete, eine weitere Verlängerung bei der EU zu beantragen, sollte bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen ratifiziert worden sein. Jene 21 konservativen Abgeordneten, die für dieses Gesetz gestimmt hatten, ließ Johnson umgehend aus seiner eigenen Fraktion ausschließen, die daraufhin im Unterhaus endgültig keine Mehrheit mehr hatte. Am 10. September begann eine von Johnson angesetzte ungewöhnlich lange Vertagung des Parlaments, die am 24. September vom Supreme Court für illegal erklärt wurde. Am 17. Oktober einigten sich die britische Regierung und die EU auf ein erneut nachverhandeltes Abkommen, welches nun keinen Backstop mehr vorsah. Da das Unterhaus die Abstimmung am 19. Oktober jedoch vertagte, war Johnson gezwungen, eine neuerliche Verschiebung des Austrittsdatums auf den 31. Januar 2020 zu beantragen. Der Europäische Rat entschied am 28. Oktober, die Verschiebung zu bewilligen. Am 29. Oktober stimmte das britische Unterhaus mit großer Mehrheit (438 Ja- zu 20 Nein-Stimmen) für Neuwahlen am 12. Dezember desselben Jahres. Bei diesen Neuwahlen errang Johnsons Konservative Partei eine absolute Mehrheit der Sitze im Unterhaus. Seither gilt ein spätestens am 31. Januar 2020 stattfindender Austritt als gesichert. Am 9. Januar 2020 stimmte das britische Unterhaus dem Brexit-Gesetz zu. Für die endgültige Verabschiedung ist noch die Zustimmung des Oberhauses notwendig.[8]

Prognosen zufolge wird der Brexit insbesondere das Vereinigte Königreich wirtschaftlich treffen; das gilt umso mehr bei einem ungeregelten Austritt. Es wird zudem erwartet, dass der Austritt des Nettozahlers Vereinigtes Königreich auch signifikante Auswirkungen auf die EU haben wird: Deutschland und andere mit dem Vereinigten Königreich stärker verflochtene Länder in der Union würden diesen Prognosen zufolge ebenfalls ökonomische Einbußen verzeichnen.

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ctrl-tec berichtete erstmal am 23.06.2016
"To Be or not to Be: That is the question!"

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