• Mal eine andere Geschichte
  • Laptop am Strand
  • Erfahrungsbericht einer Digitalen Nomadin und ortsunabhängigen Freelancerin

Fidan Güntürkün ist seit 2017 Virtuelle Assistentin (VA) und Mentorin für angehende VAs. Sie unterstützt als Freelancerin ihre Kunden bei der Erstellung von Landingpages und Onlinekursen sowie im E-Mail-Marketing. Mit ihren eigenen Onlinekursen und Online Coachings begleitet sie Virtuelle Assistenten beim Start in ein erfolgreiches VA-Business.

In letzter Zeit häufen sich die Bilder von Digitalen Nomaden, die als ortsunabhängige Freelancer oder Selbständige mit dem Laptop um die Welt reisen und dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. Gerade in Sozialen Medien wie Facebook und Instagram boomt der Hype um Digitale Nomaden.

Doch kaum jemand zeigt, wie es hinter den Kulissen von Digitalen Nomaden aussieht und mit welchen Schattenseiten man leben muss. Ich selbst lebe und arbeite seit 2015 als Virtuelle Assistentin, Freelancerin und Business Mentorin und kenne beide Seiten: mit Kokosnuss den Sonnenuntergang zu genießen genauso wie am langsamen Internet oder nicht fertig gewordener Kundenaufträge zu verzweifeln – auch mitten in der Nacht.


Mythen und falscher Eindruck dank Social Media

Hört man den Begriff Digitale Nomaden oder ortsunabhängig arbeiten, hat man schnell die klischeehaften Bilder im Kopf. Mit dem Laptop am Strand schnell mal E-Mails beantworten oder von der Hängematte aus ein paar Social Media Posts vorbereiten. Dass die Realität ganz anders aussieht, davon wird man auf Instagram & Co. nicht viel sehen.

Viele Menschen, die dieses Lebensmodell gewählt haben, verbreiten selbst gern den Eindruck davon. Dabei kenne ich niemanden, der am Strand oder am Pool arbeitet. Die meisten Digitalen Nomaden, die ich kenne, arbeiten entweder in Coworking Spaces, in Cafés oder in ihren Unterkünften.

In diesem Beitrag möchte ich beide Seiten aufzeigen, die schönen Facetten eines Lebens als Digitale Nomadin genauso wie auch die Schattenseiten.

Die schönen Seiten als ortsunabhängige Freelancerin

Natürlich liebe ich mein Leben als selbstbestimmte, ortsunabhängige Freelancerin. Ich arbeite an den schönsten Orten dieser Welt, kann meine Mittagspause am Strand verbringen und profitiere dank Geoarbitrage von günstigen Lebenshaltungskosten (z. B. in Asien).

Wenn ich mich in Hotspots für Digitale Nomaden wie Bali aufhalte, arbeite ich um einiges produktiver, weil ich gern in Coworking Spaces gehe und somit ständig von Menschen umgeben bin, die ähnliche Ziele wie ich haben. Man sagt ja, dass man der Durchschnitt der 5 Menschen ist, mit denen man die meiste Zeit verbringt. Da ich auf Bali oder in Thailand von vielen Selbständigen umgeben bin, bin ich automatisch auch fokussierter, produktiver und effizienter. Ich spüre dort einen deutlich stärkeren Drive als in meiner Heimatstadt, wo ich von wenigen bis gar keinen Gründer*innen umgeben bin.

Meine Ortsunabhängigkeit erlaubt mir, in jedes Land meiner Wahl zu reisen (unter Beachtung der Visabestimmungen). In meiner freien Zeit kann ich tolle Regionen, wunderschöne Landschaften und beliebte Sehenswürdigkeiten entdecken. Wenn ich möchte, dann kann ich immer nur in warmen Ländern sein und somit den unbeliebten Winter in Deutschland einfach skippen.

Die günstigen Lebenshaltungskosten in einigen Ländern bringen mir den Vorteil, dass ich viel weniger arbeiten muss oder deutlich mehr sparen kann als in Deutschland.

Da ich in fremden Ländern meist einen viel höheren Entdeckergeist habe, nutze ich meine Freizeit auch qualitativer, unternehme viel und gehe wesentliche offener auf fremde Menschen zu.

Seit ich ortsunabhängige Virtuelle Assistentin bin hat sich mein Leben um 180 Grad gedreht. Ich erlebe spannende Dinge und habe plötzlich viel mehr zu erzählen. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr dieses langweilige und öde Leben führe wie die Jahre zuvor als ich noch Angestellte in einem 9-to-5-Job war. Menschen in meinem Umfeld bewundern mich für meinen Mut, meinen Drive und für all die Dinge, die ich geschafft habe.

Was Digitale Nomaden nicht verraten

Viel Freiheit bedeutet auch viel Platz zum Scheitern, mehr Möglichkeiten für Niederlagen. Das Leben als Digitale Nomadin erfordert eine gewaltige Disziplin und Eigenverantwortung.

Ich muss mir häufig bewusst machen, dass ich nicht im Urlaub bin (auch wenn ich in einem Bungalow mit Meerblick wohne), sondern Deadlines von meinen Kunden habe, die ich einhalten muss.

Ich kann keine tagelangen Ausflüge machen, ohne es meinen Kunden zu kommunizieren. Und wenn ich nicht arbeite, dann verdiene ich kein Geld. Das kennen die meisten Selbständigen auch.

Für mich ist die lange Distanz zu meiner Familie und zu meinen Freunden eine enorme Belastung. Ich vermisse mein Umfeld aus Deutschland teilweise stark und kämpfe auch mit Heimweh. Obwohl ich unterwegs viele Menschen kennenlerne stelle ich fest, dass diese Bekanntschaften niemals die langjährigen Freundschaften aus meiner Heimat ersetzen können. Zwar macht es Spaß, immer neue Leute kennenzulernen, aber manchmal suche ich einfach nur das Gespräch mit einer vertrauten Person wie der besten Freundin oder Schwester.

Erschwerend kommt die Zeitverschiebung hinzu. Manchmal habe ich bis zu 10 Stunden Zeitunterschied zu Europa, was die Kommunikation mit Kunden oder der Familie beeinträchtigt. Insbesondere sind gegenseitige Absprachen, die in arbeitsintensiven Zeiten notwendig sind, kaum machbar bei solch großen Zeitverschiebungen.

Ich verpasse auch oft Dinge – auf Social Media sind alle aktiv während ich schlafe und in meiner Wachphase ist es auf Facebook & Co. wie ausgestorben.

Mein gesamtes Hab und Gut beschränkt sich auf wenige Kilo Gepäck – mehr möchte ich auch nicht mit mir mitschleppen. Das bedeutet aber auch, dass ich Opfer bringen muss und notgedrungen sehr minimalistisch lebe. Grundsätzlich schätze ich den minimalistischen Lifestyle, aber manchmal nervt es auch.

Da ich von keinem anderen Land eine Aufenthaltsgenehmigung besitze, muss ich regelmäßig weiterziehen. Notgedrungen auch mit dem Flugzeug, das natürlich einen ganz miesen ökologischen Fußabdruck hinterlässt.

Fazit zur Ortsunabhängigkeit

Trotz der Nachteile, die ein Leben als Digitale Nomadin bringen, mache ich so weiter wie bisher. Für mich persönlich überwiegen die Sonnenseiten dieses Lifestyles. Je länger ich als Freelancerin mit meinem Laptop um die Welt reise, desto geübter werde ich darin, die Schattenseiten zu umgehen oder vermeintliche Nachteile in Vorteile umzuwandeln. Ich stelle mich gern Herausforderungen und habe genau aus diesem Grund auch meine Komfortzone verlassen.

© Fidan Güntürkün

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